Eine Brille kann ein modisches Statement und ein wichtiges weibliches Accessoire sein, das ein gelungenes, weibliches Styling wunderbar vervollständigt. Ob tropfen-, schmetterlings- oder trapezförmig, rund, eckig oder oval – Hauptsache, die Form sitzt perfekt auf der Nase und verweiblicht im Idealfall unsere Gesichtszüge.
Eine langweilige, verräterische Männerbrille ist bei den ersten, heimlichen und privaten Verwandlungen, in den eigenen vier Wänden oder den nächtlichen Ausflügen an einsame, menschenleere Orte sicher auch noch zu verwenden. Auch ich gehöre zu den Menschen, die eine Sehhilfe benötigen. Weil ich mich lange Zeit nicht traute, mir beim Optiker ein hübsches, zu meinem Gesicht passendes Damengestell zeigen zu lassen, habe ich es notgedrungen viele Jahre nicht anders gemacht. Auch ich habe früher bei meinen heimlichen, nächtlichen Ausflügen meine Alltagsbrille getragen, aber nie ein gutes Gefühl dabeigehabt. Spätestens aber, wenn man sich als „Frau“ öffentlich unter die Menschen traut, hat die Männervariante aber dann doch definitiv ausgedient.
Die erste Damenbrille in meiner Sehstärke hatte ich noch, mangels Alternativen, bei einem Optiker vor Ort besorgen müssen. Damals war mir aber diese ominöse Annica Springmann noch ziemlich peinlich und so habe ich mir für die Verkäuferin eine diese depperten Geschichten einfallen lassen, die man gerne erfindet, um nicht als Fetischist oder Perverser identifiziert zu werden. Wir „Frauen“ kennen das, bis man das perfekt, passende Objekt der Begierde gefunden hat, muss man womöglich lange suchen, ausprobieren und sich gedulden. Während der Auswahl im gut besuchten Geschäft, war ich jedoch sehr viel mehr mit meiner hinderlichen Scham beschäftigt, als damit die richtige Brille für meinen Style zu finden. Ohne eine Anprobe und damit, ohne dass ich es wirklich hätte beurteilen können, kaufte ich viel zu überstürzt meine erste Damenbrille. Heute muss man sich zum Glück aber keine doofe Geschichte mehr ausdenken, denn inzwischen haben sich in diesem Marktsegment einige Onlinehändler etabliert. Im zweiten Anlauf habe ich mir drei Brillen zur Auswahl bestellt und in aller Ruhe vor dem eigenen Spiegel ein tolles Modell ausgesucht. Wenn man den Mut und die Routine hat, in der Frauenrolle sich im Fachgeschäft beraten zu lassen und sich eine hübsche, passende Damenbrille auszusuchen, dann ist das aber auch ein wunderbares Erlebnis. Heute schaut Annica Springmann natürlich persönlich bei einem Optiker vorbei und wird auch immer sehr gut und freundlich bedient. Das funktioniert also auch, ohne dass man sich schämen muss.
Irgendwann kam es dann doch, wie es kommen musste und wovor sich unsereins schrecklich fürchtet. Auf meinen öffentlichen Touren, hunderte Kilometer von meinem Lebensmittelpunkt entfernt, bin ich innerhalb einer kurzen Zeitspanne gleich mehrfach, Menschen begegnet mit den ich privat oder beruflich sehr eng zu tun habe. Eine dieser ungewollten, nervenaufreibenden, angsteinflößenden Begegnungen war ausgerechnet mit einem meiner besten Freunde. Selbstredend hat mich jedes Mal der Schlag getroffen, aber glücklicherweise wurde mein Geheimnis bei keiner dieser Begegnungen aufgedeckt. Brillen sind sehr markante Ausrüstungsgegenstände. Auch mit einem weiblichen Brillengestell ist die Sehhilfe insgesamt sehr prägend für das Gesicht. Sie sitzt verräterisch, leuchtend auf der Nase und gibt, unabhängig vom Gestell, einen fürchterlichen, sichtbaren Hinweis auf die Identität ihrer Trägerin. Ohne die Brille wirkt ein Gesicht völlig anders und man hat ein völlig anderes Aussehen. Die Lösung, die ich gefunden habe, um meinen Tarnfaktor zu erhöhen, sind Kontaktlinsen.
Es gibt Tageslinsen, Wochenlinsen, Monatslinsen und Jahreslinsen, die sich, wie der Name vermuten lässt, im Wesentlichen durch ihre maximale Lebensdauer voneinander unterscheiden. Die Tragezeit von Tageslinsen liegt je nach Hersteller zwischen 6 und 12 Stunden, anschließend landen sie im Müll. Sie müssen nicht gereinigt werden und benötigen auch keinen Behälter für die Aufbewahrung. Die anderen Varianten, wirft man am Ende des Tages nicht weg, was bedeutet, dass man diese zusätzlich pflegen und aufbewahren muss. Ich selbst verwende bisher Tageslinsen, eben weil ich mir auf meinen Entdeckungsreisen den nervigen Pflegeaufwand ersparen möchte. Das Tragen der Linsen ist nach einer kurzen Gewöhnungsphase weitgehend problemlos. Mit zunehmender Tragedauer werden die Dinger aber härter und damit unangenehmer zu tragen, sodass die Wochen- oder Monatslinsen bei langen Tagen, vielleicht doch die bessere Wahl sind. Ich werde das noch untersuchen. Für den Notfall habe ich auch immer noch eine Damenbrille in meiner Sehstärke und im Sommer zusätzlich eine Sonnenbrille in meiner Handtasche.
Um es ganz deutlich zu sagen, der Umgang mit Kontaktlinsen ist selbstverständlich nicht ganz so einfach, wie der Umgang mit einer Brille. Es dauert seine Zeit bis man das Know-how zum Einsetzen und das Entfernen der Haftschalen beherrscht. Anfangs habe ich gut und gerne 20 Minuten benötigt um die feucht, glitschigen kleinen Dinger einzusetzen. Es ist damit jedoch wie mit allen Dingen, die man regelmäßig macht, nach und nach stellt sich Routine ein. Einen Lidstrich kann man ja auch nicht gleich perfekt ziehen.